Der Gloss’n Hans macht sich Gedanken
Theorie und Praxis
Sie wer’n lachen, aber ich bin beeindruckt, mit welchen Ausbildungsvergütungen manche Betriebe heutzutage um Auszubildende werben. Wenn man sich im Kollegen- und Freundeskreis umhört, geht es oft um ganz andere Zahlen und Umstände. Da ist die Rede von 567 D-Mark im ersten Ausbildungsjahr, etwa 283 Euro. Aber damals war die Mark halt noch was wert. Und die Ausbildung eine gute Basis fürs Geldverdienen neben dem anschließenden Studium mit Nullkommanull Vergütung.
Im Wehrdienst gab es mal eine Grundausbildung zum Stabsdienst, in der ein Panzergrenadier mit 1.065 Anschlägen – natürlich im Maschinenschreiben – bei nur 1 Fehler in 10 Minuten und in Uniform die gute Note 2 erzielte. Wenn am Ende das Dienstzeugnis bei der „künstlerischen Gestaltung besonders großes Können und Geschick” bescheinigt, ist „Führung: Gut” nur noch halb so schlimm. Vergangene Woche hat die Erlanger Hebammenschule nach der Ausbildung von 4.306 Fachkräften die letzten Abschlusszeugnisse ihrer 150-jährigen Geschichte ausgegeben. Die Einrichtung schließt, weil der Hebammenberuf nach europaweiter Angleichung im Dualen Hochschulstudium erlernt werden soll. Es heißt, Pflege- und Heilberufe sollen generell akademischer werden, damit man eigenständiger und weniger arztgebunden arbeiten kann.
Meine Diagnose als Außenstehender: Etikettenschwindel. Mehr Anerkennung und Aufwertung der Arbeit von hochqualifizierten, an kompetenten Fachschulen in Theorie und Praxis ausgebildeten Spezialkräften ist eine gute Idee. Aber braucht es dafür eine Hochschulreife und ein Hochschulstudium? Oder andersrum gefragt: Können wir uns die fachliche und gesellschaftliche Geringschätzung nichtakademischer Berufe noch leisten? Ich glaube nicht.
Ihr Gloss’n Hans
Autor:Gloss'n Hans aus Eckental |
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