DER GLOSS'N HANS MACHT SICH GEDANKEN
Schonend kritisiert
Sie wer’n lachen, aber ich hab mein Wort des Jahres schon gefunden. Noch vor der Gesellschaft für deutsche Sprache e. V., die in ein paar Wochen daherkommen wird. Meins heißt "schonend".
Sehr lange wurden Lebensmittel (und vieles mehr) so hergestellt, wie es hungrige Käufer verlangten: möglichst effizient. Man könnte auch sagen: billig. Da sind mitunter andere Attribute und auch Anbieter auf der Strecke geblieben. Irgendwann waren (fast) alle satt, aber Geiz war ja geil.
Das ist heute angeblich anders. Jetzt haben Prospektwerbetexter eine Liste von Wörtern, ohne die sie nichts mehr abliefern dürfen: "Toller Entwurf – jetzt fügt Ihr noch irgendwo "schonend" ein, dann kriegt Ihr die Freigabe."
Das Olivenöl wird "schonend behandelt mit Wasserdampf". Der Haselnussaufstrich erhält durch "schonende Verarbeitung" seine geschmeidige Konsistenz. Müsliriegel enthalten "schonend getrocknete" Früchte und Tomatenstückchen in der Dose wurden direkt nach der Ernte "schonend und natürlich“ zubereitet. Preisfrage: Wie werden Saure Sahne für Sauerrahm, sonnengereifte Früchte für Apfelsaft und Weißkohl für Sauerkraut verarbeitet? Richtig: Schonend.
Wenn nicht schonend, dann zumindest behutsam, natürlich oder rein. Wichtig ist auch "nachhaltig", ob Finanzprodukt oder Fertigfutter für Haustiere, ob’s stimmt oder nicht. Nachhaltigkeit wollen wir alle, ist ja logisch.
Die neue Wortwahl legt den Verdacht nahe, dass alles andere von grobschlächtigen und gewissenlosen Hallodris schlampig umhergeworfen und erbarmungslos erhitzt wird, Hauptsache schädlich. Für Manches mag das sogar zutreffen. Aber sicher nicht für alles. Qualität, Verantwortungsbewusstsein und handwerkliche Sorgfalt gibt es schon immer – man muss es halt auch wollen.
Ihr Gloss’n Hans
Autor:Gloss'n Hans aus Eckental |
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