Der Gloss'n Hans macht sich Gedanken
Mega-Zoff voll gecancelt
Sie wer’n lachen, aber ich lese noch Zeitungen. Dabei allerdings erwarte ich ein anderes Deutsch als jenes, das mir in Facebook- und WhatsApp-Nachrichten begegnet. Diese werden spontan getippt, meistens ohne dabei auch noch Mühe auf Formulierung, Rechtschreibung, Zeichensetzung und Grammatik zu verwenden. Man tippt, wie einem der Schnabel (oder der Daumen) gewachsen ist. Das ist nicht nur akzeptabel, sondern sogar zwischenmenschlich sinnvoll, persönlich und emotional. So wie Dialekt: Dodal subber.
In der Presse dagegen formulieren Profis, die im Umgang mit Sprache ausgebildet sind. Oft zu Themen, die ernsthaften und seriösen Umgang erfordern. Wenn da immer öfter allzu umgangssprachliche Überschriften ins Auge fallen, gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder sind Dilettanten am Werk, oder die Autoren wissen was sie tun und biedern sich an, indem sie das sprachliche Niveau senken. Was ist schlimmer?
"Grüne wollen den Namen Hindenburgdamm canceln" war neulich zu lesen. Wahrscheinlich will man die Straßenbezeichnung aber nicht absagen oder streichen wie einen Flug, sondern einfach nur ändern, vielleicht auch tilgen oder entfernen. Ein paar Tage später: "Scholz und Putin zoffen sich bei Telefonat". Nichts gegen kurze knackige Überschriften – aber hätte "streiten" schon althergebracht geklungen? Der Wortschatz der deutschen Gegenwartssprache wird auf bis zu 500.000 Wörter geschätzt. Zusätzliche Begriffe wie canceln und zoffen sind mir sehr willkommen – aber eben da, wo sie auch angebracht sind. Angesichts eines bedrohlichen Krieges möchte ich eher nicht lesen "Voll der Mega-Zoff in der Ukraine". Wenn Kanzler Scholz im Kreml anruft, sagt er ja auch nicht "Ey geht’s noch, oder was?". Das wär’ ja wie ein Doppelwumms.
Ihr Gloss’n Hans
Autor:Gloss'n Hans aus Eckental |
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