Eckentaler Archivgeschichten
Französische Truppen in Eschenau…

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…oder warum die Eschenauer auch „die Franzosen“ genannt werden

Man hört es zwar selten, aber der Spitzname „die Franzosen“ für die Bewohner Eschenaus ist bei etlichen Eckentalern heute noch präsent. Geprägt wurde er wohl durch den intensiven Kontakt mit französischen Soldaten, den die Eschenauer Anfang des 19. Jahrhunderts über Jahre hatten, wenn auch eher unfreiwillig.

Zwischen 1798 und 1815 tobten in Europa die sogenannten napoleonischen Kriege, ausgelöst durch das Expansionsstreben des französischen Kaisers Napoleon Bonaparte. Seine überaus effiziente Armee zog von Schlachtfeld zu Schlachtfeld. Auf dem Weg zu neuen Kriegsschauplätzen kamen vor allem zwischen 1805 und 1813 französische Truppen durch Eschenau. Den Soldaten musste Unterbringung und Verpflegung für sich und ihre Pferde gegen Bezahlung gewährt werden. Allerdings liefen die Einquartierungen alles andere als reibungslos ab. Nicht alle Leistungen wurden bezahlt und es kam zu Plünderungen und Verwüstungen.

Um die Ansprüche für erbrachte Leistungen und erlittene Verluste geltend machen zu können, erstellten die Eschenauer Bürger über die Jahre unter Aufsicht des Marktgerichts Eschenau darüber detaillierte Listen und wandten sich damit immer wieder an die zuständigen Behörden, wie das Königliche Kreisdirektorium, an die Königliche Kriegs- und Domänenkammer oder das Königliche Kammeramt Erlangen. Diese Auflistungen über Einquartierungen und Verpflegung von Mannschaft und Pferden umfassen einige hundert Seiten und befinden sich im Archiv des Marktes Eckental. Sie wurden wegen Schimmelbefalls aufwendig restauriert, können jetzt aber gefahrlos genutzt werden. Nach und nach werden sie von ehrenamtlichen Mitarbeitern des Archivteams von der damals üblichen Kurrentschrift in die lateinische Schrift übertragen. Die Ereignisse im Oktober des Jahres 1805 lassen sich bereits nachvollziehen.

Kriegsschäden und ­Misshandlungen 1805

Drei Tage lang, vom 20. bis zum 22. Oktober 1805, hatten die Eschenauer Bürger französische Soldaten beherbergt und verpflegt. Den Aufzeichnungen nach handelte es sich dabei um 1457 Personen und 1780 Pferde. Betroffen von den Einquartierungen waren sämtliche Eschenauer Haushalte, 94 an der Zahl. Bevor die französischen Truppen weiterzogen, plünderten sie die Häuser und Scheunen. Die in der Folge angelegte Schadensliste enthält die Verluste aller 94 Haushalte, verschont wurde keiner. Sie gibt zum einen Aufschluss darüber, welchen Bedarf die Soldaten hatten, zum anderen veranschaulicht sie eindrucksvoll die außerordentlichen Belastungen der Bevölkerung.
Die Schadensmeldung des Johann Meister, er war die Nummer 17 auf der Liste, zeigt exemplarisch den materiellen Verlust durch widerrechtliche Aneignung und Vandalismus. Sein Bericht über die Geschehnisse auf seinem Hof am 22.Oktober, zu Protokoll gegeben am 28. Oktober 1805 vor dem Marktgericht Eschenau, dokumentiert die Konsequenzen von körperlichen Verletzungen aufgrund von Willkür und Gewalt.

Die französischen Soldaten nahmen mit, was sie gebrauchen konnten. Dazu gehörten neben Hühnern, Gänsen und Schweinen, Getreide, Fleisch, Bier, Wein, Messer, Wäsche, Kleidung, Geschirr, Waffen, Werkzeug, Holz, Seife Obst, Geld… Die vielen aufgebrochenen Schlösser in der Schadensliste zeigen, dass nichts vor ihnen sicher war.
Den Eschenauern waren in den drei Tagen, neben persönlichem Hab und Gut, die Wintervorräte für sich und ihr Vieh sowie Saatgut abgenommen worden. Um den Winter überstehen zu können, baten sie darum, außer mit Geld, in Naturalien entschädigt zu werden.
Ob und inwieweit das stattfand, wissen wir nicht. Das Königliche Kammeramt in Erlangen bemängelte an der eingereichten Schadensliste, dass die Angaben darüber, wie viele Personen und Pferde pro Haushalt versorgt worden waren, fehlten.
Nach dem Ende der Napoleonischen Kriege 1815, Eschenau gehörte inzwischen zum Königreich Bayern, erkannten die Behörden die extremen Belastungen der Eschenauer Bevölkerung während der Kriegszeit durchaus formell an, zumal der Durchmarsch von 1805 nicht der Einzige geblieben war. Allerdings bedeutete das nicht automatisch Schadensersatzzahlungen. Es wurden bis in die 1840er Jahre Prozesse wegen Schadensersatzforderungen geführt. Prozessakten dazu lagern ebenfalls im Archiv.

Was die französischen Truppen angeht, die sich im Oktober 1805 in Eschenau aufhielten, so liegt nahe, dass sie von Eschenau aus weiter in Richtung Mähren zogen. Am 2. Dezember 1805 kam es zu der berühmten Schlacht bei Austerlitz, heute Tschechien, in der Napoleon mit seinen Truppen die Armeen Russlands und Österreichs besiegte.

Protokoll des Johann Meister

Kriegswillkür

Geschehen Markt-Gericht Eschenau, den 28. Oktober 1805

Zu dem von einem kaiserlichen, französischen Reiter an dem hiesigen Zeugen und Bauer verüb-ten Exzess, haben wir solchen heute, nach vorhergegangener Ermahnung zur wahrheitsvollen Aussage, so wie er sie eidlich bestätigen könne, also vernommen.

„Ich heiße Johann Meister, bin 32 Jahre alt, hiesig bürgerlicher Untertan, verehelicht und Vater von 2 Kindern. Am 22. diesen Monats, als schon die Kaiserl. französischen, hier 2 Tag einquar-tiert gewesenen, Truppen Reiterei abmarschiert waren, kamen mittags um 3 Uhr 4 französische Reiter in meinen Hof hereingeritten, wovon der eine nach meiner Meinung ein … Grenadier und die 3 übrigen Husaren waren, welche blaue Dollman (Uniformjacke der Husaren) mit blauen Schnüren anhatten. Von meinem Hof ritten 3 von diesen zu meinem Stall und verlangten von mir Hafer und Heu. Der 4. von diesen, ein Husar aber ritt nicht hierein, sondern verlangte von mir mit Ungestüm Hafer und Heu. Da ich nun diesen aber nicht abgeben konnte, weil mir die 2 volle Tage hier einquartierten belobten Truppen all mein Hafer und Heu zu ende gefüttert ha-ben, so wurde dieser, der schon beim Einreiten das Seitengewehr auszog und an die Dachrinne mit Ungestüm einhieb … äußerst wütend. Ich wollte, um diesen ungestümen Mann zu besänfti-gen, das Stadel-Tor aufmachen, um in solchen einstellen zu lassen. In dieser Absicht nahm ich einen Pfahl um das Tor mit anzulehnen und wie ich dieses tun wollte, so hieb er nach mir aus und hätte ich in der Geschwindigkeit nicht den Kopf zurückgezogen, so hätte er mir den Kopf gespaltet. Ich zog diesen zurück und fuhr mit der rechten Hand aus, wo mir der Hieb meinen mittleren Finger beim vorderen Glied ganz weg, den Goldfinger bei dem mittleren Glied bis an die untere Haut und den Zeigefinger quer von unten aufs mittlere Glied bis auf den Knochen hieb. Als diese unmenschliche Handlung an meiner … Haupthand verübt war, ritten dieser und endlich auch die 3 übrigen aus meinem Hof …

Ich habe nun eine elende Hand, weil mir die 2 Finger steif werden und kann also mein Bauern-geschäft nicht mehr gehörig arbeiten – deswegen ich als ein Krüppel den unersetzlichen Verlust nicht angeben kann. Wenn deshalb sich nicht die Höchsten Behörden annehmen und mir eine Unterstützung an Wegnahme eines Teils meiner jährlichen Abgaben verwerfen (Wort wegen Pa-pierschädigung schwer lesbar), so muss ich verarmen, weil ich bei meinem kleinen Gütlein ei-nen Knecht nicht ernähren kann.“

Vorgelesen, genehmigt und mit der linken Hand unterzeichnetes Handzeichen
XXX Johann Meister, att. Wagner

Autor:

wochenblatt - Redaktion aus Eckental

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