Tierisch gut genießen
Handwerkliche regionale Fleischverarbeitung
Es gibt gute Gründe, den persönlichen Fleischgenuss bewusst zu überdenken. Dabei spielen Ernährungs-Fragen eine Rolle, aber auch ethische und ideologische. Der Verzehr sank seit 30 Jahren in Deutschland erstmals unter 60 kg pro Jahr. Rein auf Schweinefleisch umgerechnet wäre das statistisch weniger als ein Schwein pro Jahr und Verbraucher – mehr, als Ernährungsexperten heute empfehlen, aber ein gutes Drittel weniger als in den USA.
Kein guter Grund, den Fleischgenuss einzuschränken, sind die Arbeitsbedingungen in industriellen Großfabriken für den Preiskampf im Discounterregal. Diese Bedingungen kritisieren seit langem auch landwirtschaftliche Erzeuger und handwerkliche Verarbeiter im wochenblatt-Land, wie man im Gespräch schnell erfahren kann. Sie verweisen auf die Alternativen: Fleisch nicht als beliebige Ware aus Massenproduktion, sondern als bewusster Genuss.
„Fleischerhandwerk ist anders“
Herbert Dohrmann, Präsident des Deutschen Fleischer-Verbands (DFV), verfolgt mit Sorge die Entwicklung, die sich aus den vermehrten Corona-Infektionen bei Mitarbeitern großer Unternehmen der Fleischindustrie ergeben hat. Er verweist darauf, dass im Handwerk grundsätzlich anders gearbeitet wird als in vielen Industriebetrieben. Hier arbeiten Familienmitglieder und hochqualifizierte Mitarbeiter in festen, langjährigen Angestelltenverhältnissen.
Das Handwerk beklagt seit langem den ständigen Drang nach dem „Immer-Billiger“ und „Immer-Mehr“. Es sei zu begrüßen, dass die aktuellen Vorgänge dazu geführt haben, über mehr Wertschätzung für Fleisch zu sprechen.
In der Politik werde zwar die Forderung nach regionalen Vermarktungsstrukturen laut. Diese regionalen Kreisläufe gebe es aber seit langer Zeit, sie geraten nur immer mehr unter Druck, nicht zuletzt durch politisches Handeln. Die traditionellen regionalen Kreisläufe werden aber oft nicht ausreichend wahrgenommen und geraten seit vielen Jahren nicht zuletzt durch politisches Handeln unter Druck mit Gesetzen, die die Kleinen klar benachteiligen. „Wer die regionalen Strukturen auf diese Weise schwächt, der darf sich nicht beklagen, wenn am Ende nur die Großen übrigbleiben.“
Das Fleischerhandwerk stehe für einen hohen Anspruch hinsichtlich der Qualität, deshalb werde man „Billigfleisch“ im Handwerk nicht finden. Das liege nicht nur an der Arbeitsweise und den fairen Entgelten an die Belegschaft, sondern man bemühe sich auch den Partnern aus der Landwirtschaft gegenüber um angemessene und auskömmliche Preise. Alleine die Verbraucher für Fehlentwicklungen verantwortlich machen will der DFV-Präsident nicht: „Die Verbraucher werden kritischer, und das ist gut so. Wir müssen sie in dieser Einstellung bestärken.“ Je besser die Kunden informiert sind, desto mehr tritt der Preis hinter den Qualitätsanspruch zurück. „Uns kann man fragen. Eine Plastikverpackung im Supermarkt gibt keine echte Auskunft, wir in unseren Fachgeschäften schon.“ Man müsse verdeutlichen, dass es eine echte Wahl gibt. „Jeder Verbraucher kann für sich entscheiden, was ihm wichtiger ist, der billigste Preis oder der Mehrwert, der auch mehr kostet.“
Bewusstsein, Wertschätzung und Wertschöpfung vor Ort
Als Obermeister der Fleischer-Innung Erlangen und Erlangen-Höchstadt spricht Metzgermeister Stefan Prütting aus Brand auch für seine Berufskollegen im Landkreis. Er stimmt einem Speiseplan mit fleischfreien Mahlzeiten durchaus zu. Früher habe man auch nicht täglich Fleisch gegessen, dafür aber mehr auf die Qualität geachtet.
In seinem Meisterbetrieb arbeiten drei Angestellte in der Produktion, vier Vollzeitverkäuferinnen sowie zwei Teilzeitkräfte und zwei Küchenhilfen. Die handwerkliche Herstellung von Wurst- und Fleischwaren sei nach wie vor ein attraktives Berufsfeld, tüchtige Nachwuchskräfte sind immer willkommen.
Nicht nur bei den Innungsbetrieben kann von einer Ausbeutung osteuropäischer Leiharbeiter über Sub-Sub-Unternehmer keine Rede sein, sagt Stefan Prütting. Auch der Schlachthof Erlangen, wo viele seiner Kollegen die bei Landwirten ausgesuchten Tiere schlachten lassen, hat bei aktuellen Kontrollen keinerlei Beanstandungen ergeben. Die bislang kommunale Erlanger Schlachthof GmbH wurde vor kurzem von dem Familienunternehmen übernommen, das hier seit Jahren als Dienstleister tätig ist, Der Betrieb wurde im Bereich Rind mit dem Tierschutzlabel des Deutschen Tierschutzbundes e.V. auditiert und 2016 vom Umweltpakt Bayern ausgezeichnet.
Prütting arbeitet auch mit dem Metzgerschlachthof Fürth zusammen, wo in einer Woche weniger Tiere im Auftrag der Handwerksbetriebe geschlachtet werden als in Rheda-Wiedenbrück in dreieinhalb Stunden. Die 15 Mitarbeiter haben einen Gesellen- oder Meisterbrief und kommen – wie die Schlachttiere – aus einem Umkreis von etwa 25 Kilometern.
Auf die Frage, was die Qualität ausmacht, verweist Prütting unter anderem auf die hochwertigen Zutaten – neben dem Fleisch von fränkischen Schweinen und Rindern unter anderem hochwertige Naturgewürze und frischer Kräuter statt künstlicher Stoffe. Selbstverständlich wird hier das ganze Tier verwertet, Knochen und Füße zum Beispiel werden für Sülze und echte Soßen genutzt – auch ein Zeichen des Respekts vor der Schöpfung. „Metzger haben Achtung vor dem Tier“, betont Prütting, und das heute vermisste Tierwohl habe früher bei kleinen Bauernhöfen und Metzgereien, die nicht unter Preisdruck jeden erdenklichen Pfennig einsparen mussten, automatisch an erster Stelle gestanden. Manche Auflagen für Schlachträume oder Freigaben für künstliche Zusätze (für längere Verkaufszeiträume im Supermarktregal) seien nur für industrielle Großstrukturen gemacht. Er und Ehefrau Andrea hoffen auf ein Umdenken in der Gesellschaft, damit man Lebensmittel wieder im eigentlichen Wortsinn wertschätzt.
Der Endreß-Markt in Eschenau hat sich aus einer vor 155 Jahren gegründeten Metzgerei zum Einkaufszentrum entwickelt – und ist noch immer stolz auf die hauseigene Metzgerei. Zwei Metzgermeister und zwei Metzger verarbeiten hier die Schweinehälften und Rinderviertel, die man selbst aus dem Schlachthof Erlangen abholt. Genau diese Schweine kommen direkt vom Bauernhof im mittelfränkischen Külbingen, die Rinder von fränkischen und oberpfälzischen Landwirten, mit möglichst kurzen Transportwegen. Die anliefernden Landwirte erzeugen das Futter auf ihren Feldern und Wiesen und Christian Schneider in Külbingen zeigt beim jährlichen Hoffest, dass es bei ihm sauber und ordentlich zugeht – statt Massentierhaltung betreibt er eine integrierte Landwirtschaft ohne hormonelle oder gentechnisch veränderte Zusätze. Bevor das Rindfleisch in der Frischetheke präsentiert wird, ist es optimal gereift. Auf diese Weise entstehen handwerklich und regional nahezu alle Fleisch- und Wurstprodukte im Endreß-Markt, mit Ausnahme natürlich von Spezialitäten wie Parmaschinken, der auch aus Parma kommen muss. Dafür gibt es weithin gerühmte Spezialitäten wie die „Eschenauer Bratwürste“.
Robert Meier hat in der Metzgerei Schmidt vor 40 Jahren sein Handwerk gemeinsam mit Karl-Heinz Wölfel von der ehemaligen Forther Metzgerei gelernt und den Betrieb übernommen. Seit gut fünf Jahren ist Wölfel wieder in der Eschenauer Herrengasse im Team, so dass die beiden ehemaligen Lehr-Kollegen wieder Seite an Seite arbeiten und sich aufeinander verlassen können. Drei Mal pro Woche bekommen sie früh um vier Uhr Schweinehälften und Rinderteile aus dem Erlanger Schlachthof, die sie sofort frisch verarbeiten. Etwa 95 Prozent des Sortiments und damit nahezu alle Produkte in der Metzgerei Schmidt werden so handwerklich mit Sorgfalt, Zeitaufwand und Leidenschaft hergestellt, betont Robert Meier: „Da steckt Mehrwert drin“.
Hans-Jürgen Freihardt setzt in Heroldsberg im Restaurant sowie in der eigenen Metzgerei auf die Zusammenarbeit mit der Fleischerei von Hans Rößner in Uehlfeld, unweit von Höchstadt. Dort werden die Tiere von regionalen Bauernhöfen erst noch tagelang eingestellt, um durch stress- und adrenalinfreie Schlachtung beste Fleischqualität zu erhalten. In der Metzgerei werden mehr als 80 Sorten Wurst und viele Fleischwaren selbst hergestellt bis hin zum Dry Aged Beef von der fränkischen Färse – ideal für die Symbiose mit dem von Guide Michelin, Gault-Millau und Slow Food Genussführer für seine Regionalität ausgezeichneten Restaurant. Der Küchenchef sieht ein gesellschaftliches Problem: Durch industrielle Monopolisten mit Knebelverträgen habe man in Deutschland in 40 Jahren die komplette Nahversorgungs-Struktur zerstört – das betreffe Metzgereien genauso wie Bäckereien, in den Städten noch mehr als im wochenblatt-Land. Als Konsument müsse man sich überlegen, ob man wirklich jeden Tag Fleisch essen muss: Mit Sachkenntnis und Fantasie könne man mit wenig mehr als einem Krautskopf zwei Tage lang eine Familie verköstigen für ganz wenig Geld – und dafür zwischendurch wertvolles Fleisch genießen. Dafür brauche es aber eine Rückbesinnung und individuelles Wissen über Lebensmittel statt eines Durcheinanders unzähliger Siegel.
In Kalchreuth pflegt Doris Meisel die traditionelle Kombination aus Gastwirtschaft und Metzgerei mit zwei Metzgermeistern, einem langjährigen Gesellen und einem Helfer. Hier kommen fränkische Spezialitäten aus eigener Schlachtung auf den Tisch sowie in die Theke und die Schweine, Rinder und Kälber stammen von den Bauern aus der Umgebung. Auch mit Wild kennt man sich aus: Die Vertragsmetzgerei des Forstbetriebs Nürnberg wurde 2017 für ihre Wildschweinsalami ausgezeichnet. Um trotz Corona-Einschränkungen mit der maximalen Anzahl der allesamt ausgebildeten Verkaufs-Fachkräften im Laden weiterarbeiten zu können, setzt Verkaufsleiterin Doris Meisel neuerdings auf eine Metzgerei-App, die für alle Apple- wie auch Android-Endgeräte kostenfrei erhältlich ist (direkter Weg zur App über den QR-Code in der Ausgabe 28, Seite 22)
Rückbesinnung auf Handwerk und Landwirtschaft
Bei Familie Schaffer in Görbitz (Markt Hiltpoltstein) ist der Kreislauf aus Acker und Wiese, Tierhaltung und Fleischverarbeitung am ursprünglichsten. Stefan Schaffer ist ausgebildeter Landwirtschaftsmeister und staatlich geprüfter Metzger, mit Ehefrau Andrea und den Eltern verarbeitet er für den eigenen Hofladen selbst Schweine und Rinder aus eigener Tierhaltung. Das Ergebnis sind Fleisch- und Wurstwaren, zum größten Teil für die Direktvermarktung. „Bei uns sind es vom Stall bis zum Schlachtraum keine 25 Meter, die Tiere kennen meine Stimme, das wirkt sich auf die Qualität aus.“ In den Hofladen und die EU-zertifizierten Schweine-Schlachträume hat man sehr viel Geld investiert, denn „alleine von der Landwirtschaft in dieser Größe könnte die Familie nicht leben“, sagt Schaffer.
Ihm ist klar, wie die Billigst-Preise der Konzerne zustandekommen: Arbeiter werden ausgebeutet und Landwirten wird nur soviel zugestanden, dass sie gerade noch liefern können und nicht gleich pleitegehen. Je größer die Dimension, desto billiger, deswegen werden die Großen immer größer und die Kleinen verschwinden. Er selbst muss sich bei Rechnungen für Fleischbeschau oder Ferkelbeschaffung mit einer Art Mindermengenaufschlag abfinden. Die eigene Verarbeitung und Vermarktung subventioniert die eigene Landwirtschaft – von einer 40- oder 50- Stunden-Woche ist man dabei weit entfernt. Aber „es kann nicht jeder Direktvermarktung machen“, Bauern brauchen faire Partner. Wenn Stefan Schaffer sieht, wie Menschen ihren sündhaft teuren Grill mit Billigst-Steaks aus der Discounter-Plastikschale bestücken, dann fehlt ihm dafür jegliches Verständnis.
Gute Gründe für bewussten Fleischgenuss
Es gibt auch gute Gründe für bewussten Fleischgenuss. Fleisch ist ein traditionelles Lebensmittel von hoher ernährungsphysiologischer Qualität, es enthält hohe Gehalte an biologisch hochwertigem Eiweiß, gut resorbierbarem Eisen und Zink sowie Vitamin A, B1, B6 und B12.
Man muss sich nur zurückbesinnen auf ein vernünftiges Maß, den Respekt gegenüber der Kreatur und der Natur, auf die Wertschätzung landwirtschaftlicher und handwerklicher Erzeugnisse und auf die Bedeutung einer regionalen Wertschöpfung. Und auf Qualität – dann schmeckt‘s auch tierisch gut.
Autor:wochenblatt - Redaktion aus Eckental |
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