Der Gloss’n Hans macht sich Gedanken
Nachhaltig resistent
Sie wer’n lachen, aber neulich habe ich im Fernsehen ein Konzert vom Rieus André und seiner Truppe verfolgt. Klassische Musik – wer wollte da etwas dagegen sagen? Besonders faszinierend fand ich die bonbonbunte Inszenierung.Und musste an Thomas Kapielski denken, einen Meister des grotesken Humors. Der Berliner erzählt in seinem Buch „Mischwald“ von einem melancholischen Abend vorm Fernseher mit fränkischem Kellerbier, an dem er sich spontan, unsterblich und tragisch in eine Bratschistin aus Rieus Ensemble verliebte. Ein Künstler halt. Inzwischen kann ich das fast nachvollziehen – zum Glück hatte ich kein Bier zur Hand und kam mental unbeschadet durch das musikalisch vermutlich seriöse Spektakel.
Offensichtlich ist keine einzige der Musikerinnen an Armen oder Schultern tätowiert. Bei den musizierenden Männern sieht man nichts, sie tragen Kragen und Anzug – vermutlich sind sie empfindlicher gegen Kälte und Zugluft als ihre abgehärteten Kolleginnen. Ganz anders sieht es bei der Truppe vom Nagelsmanns Julian aus. Manchmal hat man den Eindruck, dass von männlichen Profifußballern kein einziger ohne Tätowierung auf den Platz geht.
So ein mehr oder weniger künstlerisches Werk auf der Haut ist ja extrem nachhaltig. In einem älteren DUDEN Stilwörterbuch ist „nachhaltig“ erklärt als tiefergreifend, lange nachwirkend, zum Beispiel nachhaltig beeindruckend.
Inzwischen hat man die Bedeutung der Nachhaltigkeit bei Ressourcenverbrauch und Umweltbelastung erkannt. Allerdings wirkt das Wort verbraucht, kaum eine Botschaft kommt mehr ohne aus. Bei inflationärem Gebrauch wird es irgendwann wirkungslos. Wie bei Antibiotikum, wenn Erreger gegen die gewünschte Wirkung resistent werden. Oder bei opulenten Inszenierungen, die das Substanzielle übertönen.
Gloss’n Hans
Autor:wochenblatt - Redaktion aus Eckental |
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