Schock-Anrufe im wochenblatt-Land
Vorsicht vor Betrügern
Schon seit Jahren nehmen die Fälle sogenannter "Schockanrufe" zu und obwohl die Polizei viel Aufklärungsarbeit leistet, häufen sich die Fälle, in denen meist ältere Mitbürger hohe Beträge an die Betrüger verlieren. So händigte am vergangenen Freitag in Bayreuth ein 97-jähriger mehrere Zehntausend Euro an eine vermeintliche Polizeibeamtin aus; wenige Tage zuvor übergab eine Rentnerin in Bamberg einen mittleren fünfstelligen Betrag an eine unbekannte Frau.
Am Freitag wurden im wochenblatt-Land nach Kenntnis unserer Redaktion etliche derartige Anrufe getätigt. Dabei verläuft das Gespräch immer ähnlich. Um unsere Leserinnen und Leser dafür zu sensibilisieren, möchten wir einen dieser Anrufe so wiedergeben, wie er sich im Detail ereignet hat. Die Namen sind geändert.
Am Vormittag ist Frau Habermann in ihrer Küche in Eckental beschäftigt und freut sich schon auf den bevorstehenden Besuch der Enkeltochter zum Mittagessen, als das Telefon klingelt. Am anderen Ende der Leitung stellt sich ein Mann vor als Polizeihauptwachtmeister Weber von der Verkehrspolizei. Er kommt gleich auf den Punkt und erklärt, dass der Ehemann von Frau Habermann soeben einen Verkehrsunfall verursacht hat, bei dem eine junge Frau ums Leben kam. In diesem Moment ist Frau Habermann bereits so schockiert, dass sie die Fassung verliert und ihre Gefühle kaum noch kontrollieren kann. Obwohl sie schon oft von Schockanrufen gehört hat und genau über die Gefahr Bescheid weiß, kommt nach und nach Panik auf.
Der vermeintliche Polizist erklärt, dass der Staatsanwalt bereits am Unfallort eingetroffen sei und eine Inhaftierung des Gatten nur durch die sofortige Bezahlung eines Betrages von 55.000 Euro verhindert werden kann. Um der Forderung Nachdruck zu verleihen, lässt der falsche Polizist Informationen fallen wie das Geburtsdatum von Herrn Habermann. Auch teilt er mit, dass Herr Habermann nach einem Anwalt seines Vertrauens gefragt hätte, dessen Namen er ebenfalls nennt. In diesem Moment verliert die sowieso schon vollkommen aufgelösten Frau Habermann ihre letzten Zweifel an der Echtheit des Anrufs. Sie bittet, ihren Mann sprechen zu dürfen.
Der falsche Polizist wird daraufhin heftiger und fragt Frau Habermann, ob sie sich vorstellen könne, was hier am Unfallort los sei. Sie solle jetzt sofort das Geld bereitstellen, Herr Habermann hätte ihm bereits gesagt, dass sie schon wisse, wo sich dieses im Hause befände. Erst als Frau Habermann deutlich sagt, sie wisse nicht, wo sich Bargeld in dieser Höhe befindet und energisch „NEIN“ sagt, legt der falsche Polizist auf.
So oder so ähnlich laufen diese Anrufe ab. Eine schockierende Nachricht – es kann sich bei dem Unfallfahrer genauso um ein anderes Familienmitglied wie Kinder oder Enkel handeln – führt bei den Angerufenen zunächst zu Panik, anschließend wird je nach Gesprächsverlauf immer mehr Druck aufgebaut und Informationen, die man unbewusst bereits selbst preisgegeben hat oder die auf andere Weise in Erfahrung zu bringen waren, als Beweis der Echtheit der Situation fallen gelassen
Im Falle des Anrufs am Freitag machte der Anrufer einen kleinen Fehler: der Anwalt, nach dem Herr Habermann angeblich gefragt hatte, ist dem Ehepaar zwar tatsächlich sehr gut bekannt, allerdings ist er schon vor Jahren verstorben. Herr Habermann ist ebenso Mitglied im Lions-Club Eckental-Heroldsberg wie es der Rechtsanwalt bis zu seinem Tod war.
Wenn man nun weiß, dass die Organisation des Lions-Clubs in Deutschland jährlich ein dickes gedrucktes Buch mit einem Verzeichnis aller Mitglieder inklusive persönlicher Daten wie Adresse, Telefonnummern, Geburtsdaten und Berufsbezeichnungen herausgibt, liegt schnell der Verdacht auf der Hand, dass die Betrüger in den Besitz eines solchen Buchs gekommen sind.
Eine Warnung, die kurz darauf an alle Mitglieder des Lions-Clubs per Mail verschickt wurde, bestätigte diese Vermutung umgehend. Etliche Lions-Mitglieder wurden ebenfalls angerufen und mit ähnlichen Geschichten konfrontiert. Eine wichtige Erkenntnis der geschilderten Fälle ist die, dass diese Betrugsmasche beileibe nicht nur bei sehr betagten Senioren funktioniert. Selbst Menschen, die "voll im Leben stehen" und über diese Masche aufgeklärt sind, können in wenigen Sekunden aus der Fassung gebracht werden.
Die Nachricht, dass einem Menschen, der einem nahe steht, etwas Schlimmes zugestoßen sein soll, versetzt jeden in einen emotionalen Ausnahmezustand. Deshalb sollte sich wirklich jeder darüber im Klaren sein, dass er nicht gefeit ist gegen solche Betrugs-Techniken. Eine wichtige Regel ist deshalb, das Gespräch sofort zu beenden, um dem Anrufer gar keine Gelegenheit zu geben, sein Opfer auf eine emotionale Achterbahnfahrt zu schicken.
Erst vor wenigen Tagen wurde sogar ein prominenter Kriminologe hereingelegt. Selbst als Professor für Kriminologie und ehemaliger Niedersächsischer Justizminister ging Christian Pfeiffer dem Schockanrufer auf den Leim. Es dauerte über 30 Minuten, bis er bemerkte, dass es sich um einen Fake-Anruf handelte.
Seine persönliche Erfahrung machte er in diesem Video-Statement öffentlich.
Die Kripo hat inzwischen eine Sondergruppe eingerichtet, die sich mit dieser Art der Kriminalität beschäftigt. Wichtig ist deshalb, wirklich jeden Versuch eines solchen Betrugs sofort der Polizei mitzuteilen, indem man den Notruf "110" wählt. So werden regionale Häufungen der Betrugs-Aktivitäten deutlich und Schwerpunkte erkannt. Nicht in allen Fällen sind die Verbindungen der angerufenen potentiellen Opfer so leicht nachzuvollziehen, wie im Falle der Lions-Club-Mitglieder. Und wer weiß schon, wie die Geschichte ausgegangen wäre, hätte der Anrufer nicht den Fehler mit dem verstorbenen Anwalt gemacht.
Autor:wochenblatt - Redaktion aus Eckental |
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