KUK UND KLICK: KULTUR, KUNST, TRADITION AUF EINEN BLICK
TOTENSONNTAG:…HINTER’M HORIZONT GEHT’S WEITER…
Liebe Leser, Vorleser und Zuhörer,
heute, am TOTENSONNTAG, an dem es in unserem Kulturkreis für viele Menschen Tradition ist, in besonderer Weise an liebe Verstorbene zu denken - und auch die eigene Lebenszeit zu überdenken -, ist mir ein Text von Charles Henry Brent, ehemaliger Missionsbischof auf den Philippinen (1862-1929), in den Sinn gekommen:
Was heißt „Sterben“ ? ......
Ich stehe an einem Ufer.
Ein Boot segelt in der Morgenbrise und steuert aufs offene Meer.
Es ist ein herrlicher Anblick, und ich stehe da und sehe ihm nach,
bis das Boot zuletzt am Horizont verschwindet
und jemand neben mir sagt: „Jetzt ist es nicht mehr da.“
Nicht da! Wo dann? Nicht „da“ für meine Augen, das ist alles ...
Die Ferne und das Nicht-da-Sein sind auf meiner Seite,
nicht auf der anderen Seite, der Seite hinter dem Horizont;
und gerade in dem Moment, wo hier, neben mir, einer sagt:
„Jetzt ist das Boot nicht mehr da“, gibt`s Andere, die es kommen sehen,
und andere Stimmen rufen freudig aus: „Da, da ist es.“
…... Sterben heißt „Ankommen“.
Ajahn Brahm (*1951), gelernter Physiker, buddhistischer Mönch, - Lehrer und Geschichtenerzähler, hat den obigen Text „Was heißt Sterben?“ als Grundlage für seine kleine Geschichte „Hinterm Horizont“ genommen, nachzulesen in seinem Buch „Der Elefant, der das Glück vergaß“. Der letzte Satz in seiner Geschichte lautet „… Wir werden uns wiedersehen....“.
Die Corona-Pandemie hat uns außer den körperlichen und seelischen Freuden im unbeschwerten sozialen Miteinander und Füreinander auch viele kulturelle Freuden genommen, aber nicht die Freude an Büchern und am Lesen, entweder allein oder auch mit anderen beim Vorlesen und Zuhören. Doch meistens sind wir mit Büchern allein mit uns selbst. Aber bei meinen Präsenz-Vorlesestunden im evangelischen Kindergarten Eckenhaid und im Seniorenzentrum Martha-Maria in Forth findet Interaktion statt und gemeinsame Freude und Kreativität stellen sich ein, angeregt durch das fröhliche Miteinander. Für unser volles Glück brauchen wir die anderen, so wie zum Beispiel beim altersunabhängigen Fußballspielen oder beim Mutter-Vater-Kind-Spiel der Kinder. Und auf jeden Fall brauchen wir die anderen, unabhängig vom Alter, auch beim Teilen von Freude und Leid. Jeder hat es schon bei vielen Gelegenheiten erlebt, so auch beim Abschied nehmen und beim Wiedersehen: Geteiltes Leid ist halbes Leid - Geteilte Freude ist doppelte Freude!
Der Liedersänger Reinhard Mey hat zum Thema
„Leben-Abschied nehmen-Trauer-neues Leben“ einen zuversichtlichen Song mit dem Titel
„Lass nun ruhig los das Ruder“ geschrieben:
… Es ist tröstlich, einzusehen, dass nach der bemess'nen Frist
Abschiednehmen und Vergehen auch ein Teil des Lebens ist. ...
Und zum Schluss denke ich auch an Udo Lindenberg und seinen Song:
„… Hinter’m Horizont geht’s weiter ... ein neuer Tag … !“
Allen Lesern, Vorlesern und Zuhörern wünsche ich, so wie ich es mir selbst wünsche,
auch in der derzeitigen Corona-Pandemie weiterhin Zuversicht, Hoffnung und Lebensfreude.
Wir können uns erinnern, und auch in den Geschichtsbüchern können wir es nachlesen, dass die Menschheit schon immer mit Pandemien konfrontiert war, zuletzt mit der von 1918-1920 grassierenden Spanischen Grippe, an der weltweit viele Millionen Menschen gestorben sind. Wir Menschen erholen uns immer wieder schnell – Gott sei Dank! - und vergessen auch ziemlich schnell, das ist wohl eine Art Selbstschutz, und wir konzentrieren uns nach Schrecken wie Krieg, Krankheit, das Sterben und den Tod immer wieder ganz und mit voller Kraft auf das Leben im Hier und Jetzt. Der Lyriker Rainer Maria Rilke (1875-1926) schrieb in diesem Kontext:
„… du sagtest „Leben“ laut, aber „Sterben“ sagtest du leise.“.
Wie wir ALLE freue ich mich auf die Zeit, wenn die Schrecken und Gefahren der Corona-Pandemie überwunden sind und wir unseren Mitmenschen wieder ohne Distanz und Vorbehalte begegnen können. Wie wir ALLE freue ich mich auf ein soziales Miteinander in Freud und Leid ohne Sicherheitsabstand, ohne Schutzmaske und ohne Angst, in dem Menschen, der mir gegenüber steht, eine Ansteckungsgefahr befürchten zu müssen, anstatt vorbehaltlos meinen Nächsten zu sehen, der mich braucht und den ich brauche.
Die Lyrikerin Hilde Domin (1909-2006) sagt in ihrem Gedicht "Die Wahl": "... nicht müde werden, sondern dem Wunder, leise, wie einem Vogel, die Hand hinhalten."
Optimistisch sein und immer wieder neue Hoffnung haben, so heißt die Devise, besonders in der jetzigen Ausnahmezeit, denn es kann nur besser werden!
Bleiben Sie gesund und lebensfroh!
Mit besten Grüßen und Wünschen
Ihre Annegret Schildknecht
Hinweis:
Meine Beiträge für Jung und Alt und alle Interessierten mittendrin als Ersatz für coronabedingt nicht mögliche Präsenz-Vorlesestunden sind hier (bitte anklicken) sowie unter: www.wochenklick.de/vorlesen
Hinweis: Meine Beiträge kommen im evangelischen Kindergarten Eckenhaid durch die Erzieherinnen und im Seniorenzentrum Martha-Maria durch die Sozialbetreuung zum Einsatz.
Hinweis: Das Copyright für Fotos mit der Angabe "M.Schi." liegt bei: Dr. Manfred Schildknecht
Autor:Annegret Schildknecht aus Eckental |
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