Hightech im Rosinenbomber
Magische Messtechnik

Foto: Philipp Prinzing

This is where the magic happens”, sagt Andrew Searle. Der Brite steht im dunklen Bauch eines Flugzeugs und zeigt auf einen schwarzen Kasten in der Größe einer Waschmaschine. Als Survey Supervisor bei Bell Geospace, einem Spezialunternehmen mit Sitz im schottischen Edinburgh, leitet Searle eine ganz besondere Untersuchung.
Mit Hilfe der so genannten Full Tensor Gradiometry (FTG) machen sich Andrew Searle und seine Kollegen auf die Suche nach winzigen Änderungen in der Dichteverteilung unter der Erde. Im Kasten befindet sich ein Gradiometer mit mehreren speziell angeordneten Beschleunigungsmessern.
Direkt neben dem schwarzen Kasten ist links und rechts jeweils ein einzelner Flugzeugsessel verbaut. Davor flimmern kleine und große Monitore. Alle Fenster sind mit silberner Folie abgedunkelt. Nur durch die schmale offenstehende Cockpit-Tür dringt schwach Licht.

Umgebauter Klassiker der Luftfahrtgeschichte flog über Franken

Die sensiblen Messinstrumente sind in einem Flugzeug verbaut. Die Propellermaschine Baujahr 1943, die in ihrem früheren Leben mal eine Douglas DC-3 war, lässt das Herz von Flugzeugfans höherschlagen. In der Branche gilt sie als besonders robust und langlebig. Mit dem Spitznamen „Rosinenbomber“ ging die Militärausführung während der Berliner Luftbrücke Ende der 1940-er Jahre in die Geschichte ein.
Vom amerikanischen Unternehmen Basler in Oshkosh, Wisconsin, wurde die Maschine in zigtausenden Arbeitsstunden aufwändig modifiziert und zur Basler BT-67 umgebaut.
Laut Bell Geospace ist die Basler BT-67 das ideale Flugzeug für Schwerkraft - Gradiometrie - Vermessungen: „Sie hat zwei Motoren für zusätzliche Sicherheit, geringe Turbulenzempfindlichkeit für verbesserte Datenqualität, eine starke Erfolgsbilanz in Bezug auf Zuverlässigkeit sowie gute Ausdauer für größere Reichweite.“ Neben den technischen Geräten sind zwei Piloten und ein bis zwei Vermessungstechniker an Bord.

Bahn für Bahn – insgesamt 2.750 Kilometer Flugstrecke

In Franken war das Spezialflugzeug in der ersten Märzhälfte für die Würzburger Versorgungs- und Verkehrs GmbH (WVV) im Einsatz. In der zweiten Aprilwoche zog die Maschine für die N-ERGIE außergewöhnliche Bahnen am fränkischen Himmel.
Um die Erdwärme-Messungen durchzuführen und zu kalibrieren, musste ein Areal direkt über dem Stadtgebiet sowie einige Kilometer um Nürnberg herum linienförmig mit jeweils 500 Meter Abstand überflogen werden. 2.750 Kilometer Gesamtlinienlänge legte der Flieger in zehn Tagen über der Region zurück. Das entspricht etwa der Entfernung Luftlinie von Nürnberg nach Kairo.

Das Erdwärme-Projekt der N-ERGIE

„Für unser Erdwärme-Projekt in Nürnberg wollen wir in einem ersten Schritt Daten darüber sammeln, wie der Boden tief unter unseren Füßen beschaffen ist“, sagt Dominik Maier, Projektleiter bei der N-ERGIE Kraftwerke GmbH. Ziel ist es, Schwerefelder zu messen und so die nötigen Erkenntnisse über die Eigenschaften des Gesteins zu gewinnen. Denn um die Wärme aus der Erde überhaupt nutzen zu können, müssen gewisse geophysikalische Voraussetzungen erfüllt sein. „Aus den Daten der gradio- und magnetometrischen Messungen erstellen die Experten geologische Karten. So können wir im nächsten Schritt das geothermische Energiepotenzial im Raum Nürnberg bewerten und schauen, ob und wo Erdwärme gewonnen werden könnte“, erklärt Maier.
2023 hat die N-ERGIE vom Bayerischen Staatsministerium für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie (StMWi) die Genehmigung für die Untersuchungen in einem knapp 200 Quadratkilometer großen „Erlaubnisfeld zur Aufsuchung von Erdwärme“ erhalten.
Knapp 30 Prozent der Nürnberger Fernwärme stammen bereits heute aus nicht-fossilen Quellen. Bis 2035 will die N-ERGIE die jährlich produzierte Fernwärmemenge komplett CO2-neutral erzeugen. Mit Hilfe verschiedener Bausteine will die N-ERGIE die Fernwärmeerzeugung schrittweise dekarbonisieren. Neben einem Altholzkraftwerk und Großwärmepumpen könnte unter anderem auch Erdwärme eine wichtige Rolle spielen. Umfangreiche Untersuchungen sollen daher klären, ob die Nutzung von Erdwärme technisch möglich und für die Umwelt unbedenklich realisierbar ist, welches für den geologischen Untergrund optimal geeignete System eingesetzt werden kann, und wo sich die günstigsten Standorte befinden.

Geologische Karte zur Bewertung des geothermischen Energiepotenzials

Aufgrund der Komplexität wird die Untersuchung des Erdwärme-Potenzials für Nürnberg mehrere Jahre dauern. Mit Ergebnissen aus den Messflügen rechnet die N-ERGIE Mitte des Jahres 2024. Aus den gesammelten Daten wird nun eine geologische Karte erstellt, um das geothermische Energiepotenzial bewerten zu können.
Für erste mögliche Probebohrungen im Jahr 2025 sind zunächst weitere umfangreiche Analysen und Bewertungen zur Absicherung des Potenzials und der Unbedenklichkeit der Bohrung notwendig.
Belastbare Ergebnisse, auf deren Grundlage sich die N-ERGIE für oder gegen den Bau einer entsprechenden Anlage entscheiden würde, könnten im Jahr 2026 folgen.
Ab 2027 könnte das Genehmigungsverfahren für eine mögliche Anlage starten.

Autor:

wochenblatt - Redaktion aus Eckental

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