Sparkasse Forchheim eröffnete Literaturtage
BlätterWALD Auftakt mit Joe Bausch

Als Schauspieler ist Joe Bausch Gerichtsmediziner im Tatort, im echten Leben ist er Gefängnisarzt. | Foto: Sparkasse Forchheim
  • Als Schauspieler ist Joe Bausch Gerichtsmediziner im Tatort, im echten Leben ist er Gefängnisarzt.
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Zum Auftakt des diesjährigen BlätterWALD, die Literaturtage im Forchheimer Land, war der Gefängnisarzt, Gerichtsmediziner aus dem Kölner Tatort, True Crime-Fachmann und Bestseller-Autor Joe Bausch in der Sparkasse Forchheim zu Gast. Mehr als 200 Zuhörer folgten den skurrilen, traurigen oder dramatischen Geschichten, die im Knast, hinter den Wänden harmlos aussehender Häuser oder auf Bauschs elterlichem Bauernhof im Westerwald spielten. Denn in seinem neuen Buch "Verrücktes Blut" erzählt er von seiner Kindheit auf dem Lande. Dass Bausch nur wenige Seiten las, machte indes nichts aus. Schließlich plauderte er mehr als zwei Stunden aus dem Nähkästchen, höchst unterhaltsam, stets humorvoll und ungemein spannend.
„Es hätte nicht viel gefehlt und ich hätte im Knast auf der anderen Seite des Schreibtisches gesessen”. Nicht als Gefängnisarzt, der sich um die Insassen der JVA Werl kümmert, sondern als einer der verurteilten Straftäter. Angebote habe es in seinen jungen Jahren genug gegeben. Sei es als Rauschgifthändler, sei es als Zuhälter. Doch warum hat ihn das Schicksal nicht auf die dunkle Seite gezogen? Wieso sind anderen böse geworden – und er verschont geblieben? „Das ist die Frage, der ich seit vielen Jahren nachgehe”. Zumal 95 Prozent aller Gefangenen Männer sind. „Das Böse ist vor allem männlich. Oder die Frauen sind einfach cleverer”.
Dabei hat er in seiner beruflichen Laufbahn schon einige skrupellose Täter kennengelernt: Eine Frau, die sich mit einem VHS-Kettensägen-Kurs darauf vorbereitete, ihren Ehemann nach der Ermordung in Einzelteile zu zerlegen; einen Mann, der seine Arbeitskollegen über einen langen Zeitraum hinweg mit Schwermetallen vergiftete und ihnen tagtäglich beim Sterben zusah; eine Frau, die nach und nach sechs ihrer Lebensgefährten um die Ecke brachte, und erst beim siebten Mord erwischt wurde... Dabei zeigen Studien, dass sich traumatische Erfahrungen von Vernachlässigung, Gewalt und Missbrauch auf künftige Generationen vererben. Erfahrungen, die auch Bausch gemacht hat. „Man muss das Leben aushalten können”.

Bausch erzählt mit schonungsloser Offenheit von seiner Kindheit in den 50er und 60er Jahren in einem kleinen Dorf im Westerwald. Dort betreibt sein vom Krieg und langer Gefangenschaft gezeichneter Vater einen Bauernhof, auf dem Hermann Josef von klein auf anpacken muss. Er erlebt, wie Schweine geschlachtet werden und muss das noch warme Blut kosten. Er wird von einem anderen Jungen, der als Pflegekind in die Familie gekommen ist, sexuell missbraucht. Er erleidet körperliche Gewalt durch den Vater und seine Lehrer – kurz: Er lebt in einer tristen, traurigen Umgebung, dass er heute noch schwarzweiße Alpträume daran hat. „Es war eine Mischung aus Angst, Gewalt, Schlamm, Schuld und Scheiße”. Der oscarprämierte Kinofilm „Das weiße Band” erinnere ihn an seine eigene Kindheit.

Wir waren wilde Kerle

Doch Bausch hat es auch richtig krachen lassen. „Wir waren in unseren jungen Jahren echt wilde Kerle”. Im Buch ist vom „verrückten Blut” die Rede. Nicht nur weil er einmal seine zuschlagende Lehrerin in einer Art Notwehr ins Bein biss und dabei ein regelrechtes Blutbad anrichtete; oder weil er mit Schulfreunden zur Abiturfeier „drei Nutten aus Wiesbaden” eingeladen hatte, um den männlichen Lehrkörper zu schockieren. Oder weil er mit einem Kumpel nach Amsterdam unterwegs war, um dort „für tausend Mark Haschisch” zu besorgen. Den Stoff verteilte man dann in Discotheken südlich von Siegen. Nicht des Geldes wegen, sondern um Anerkennung zu erhalten. „Zu unseren Abnehmern gehörten US-Soldaten, die nach Vietnam versetzt werden sollten”.

Für ein Leben abseits des Ackers

Man erfährt, wie er morgens im Gymnasium lernte und nachmittags auf dem Mähdrescher saß. Um sich die Chance auf ein Leben abseits des Ackers zu erarbeiten. Wie er auf der Theaterbühne in einer seiner ersten Rollen einen Kinderschänder und Mörder gespielt hat und dadurch schon früh True Crime-Formaten begegnete, als es den Begriff dafür noch gar nicht gab. Am Ende schlägt Bausch versöhnliche Töne an. Jahrzehnte nach dem Tod seines Vaters kann er ihn, der selbst traumatische Erlebnisse überstehen musste, endlich verstehen. Bausch sieht einen wichtigen Schutzmechanismus vor Kriminalität darin, früh Verantwortung für das eigene Handeln übernehmen zu müssen. „Das war bei mir so“. Vielleicht hat ihn das gerettet.

Der BlätterWALD bietet noch bis 15. November ein abwechslungsreiches Programm, das neben Lesungen auch Filme, Ausstellungen und musikalisch-literarische Abende bereithält. Alle Veranstaltungen und Tickets finden Interessierte unter:
sparkasse-forchheim.de/ticketshop

Autor:

wochenblatt - Redaktion aus Eckental

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