In voller Blüte
Kirschblüte im wochenblatt-Land
Die Schlehengehölze lieferten die Overtüre des blühenden Schauspiels, jetzt folgen die Kirschgärten im wochenblatt-Land und in der Fränkischen Schweiz. Nach Wildpflaumen und Zwetschgen, Kirschen, Sauerkirschen und Birnen folgen die Apfelblüten – die sind fast schöner als die berühmtere Kirschblüte, meint Markus Zeiß.
Als Obstbauer, Edelbrandsommelier und Vorstandsvorsitzender der Obstgenossenschaft Igensdorf ist er beruflich und ehrenamtlich Fachmann für das, was sich gerade in der Landschaft abspielt. Ende Mai bis Anfang Juni folgt der Ausklang der Obstblüte mit Quitten und Mispeln.
Nahe und ferne Befruchtungspartner
Die Kirschblüte ist nicht nur eine beglückende Frühlingsdekoration, sondern dient nüchtern betrachtet der Befruchtung und damit dem Lebenszyklus der Pflanzen. Teilweise reicht auch der Wind, um die Pollen oder männlichen Samenzellen von den gelben Staubbeuteln auf den klebrigen Stempel einer anderen Blüte zu befördern, wo sie durch den Pollenschlauch in den Fruchtknoten wandern und dort die weibliche Keimzelle befruchten. Den Größten Teil der Befruchtungsarbeit leisten aber bestäubende Insekten, angelockt durch die leuchtend weißen oder farbigen Kronblätter der Blüte.
Bei den fränkischen Kirschenbauern sind auch selbstfruchtbare Sorten gebräuchlich, bei denen die Bestäubung innerhalb eines Baumes möglich ist. Oft braucht die Blüte aber einen Befruchtungspartner von einer anderen Pflanze, die im Umkreis von höchstens 30 Metern zu finden sein sollte. Bei der Pflanzung von Kirschenanlagen muss man deshalb darauf achten, dass bei verschiedene Sorten die Blütezeit harmoniert, erklärt Markus Zeiß. Diese kann nämlich bei frühen Sorten bis zu 10 Tagen von den sp.tblühenden Sorten abweichen, gleiches gilt dann für die Reife und Ernte.
Ebenso wichtig für Blüte- und Reifezeit ist der Standort: Die ersten blühenden und erntereifen Lagen sind die niedrig gelegenen, etwa am Südrand von Stöckach oder Unterlindelbach, später folgen die höheren wie Kalchreuth und Oberlindelbach, die letzten finden sich auf den Hochebenen des Jura wie um Birkenreuth, oberhalb von Ebermannstadt und Muggendorf.
Auch wenn in Corona-Jahren vieles anders ist als sonst: Im Hinblick auf die Blütezeit Mitte bis Ende April ist 2021 ein „normales Jahr“. Nur etwa drei bis fünf Tage währt die Blüte pro Sorte und Lage, dann färben sich die Bäume grün – und hoffentlich irgendwann auch kirschrot.
Die Hummel fliegt die Frühschicht
Zu Beginn der Blüte ist die Hummel die wichtigste Bestäuberin, erläutert Markus Zeiß, denn sie kommt am besten mit den kühlen Temperaturen zurecht. Auch die Wildbienen werden aktiv, gefolgt von den Honigbienen und auch Schmetterlingen in der Hauptblüte.
Um den „wilden“ Bestäubern Lebensraum zu bieten, stellt die Obstgenossenschaft ihren Mitgliedern, darunter 800 aktive Obstbauern, seit Jahren hölzerne Nistund Überwinterungshilfen, so genannte Insektenhotels, zur Verfügung – schon lange, bevor der Bienenschutz in aller Munde war, so Zeiß. Ohnehin lässt man traditionell in den Randbereichen der Obstanlagen auch Schafgarbe und andere Gewächse stehen – früher war es „a weng a Gstrüpp“, heute nennt man es Blühstreifen.
Backpulver: nicht nur für Kirschkuchen hilfreich
Obstbauern sind oft selbst Bienenhalter und pflegen mit den Imkern ein sehr gutes Verhältnis, betont der Obstfachmann. Auch die aktuelle Pfanzenschutzstrategie berge sehr wenig Konfliktpotenzial. In diesen Tagen erst hat er eine Art Backpulver ausgebracht. Der Wirkstoff wurde in den vergangenen 20 Jahren von der Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau in Veitshöchheim getestet und hat sich gegen den Monilia-Pilz bewährt.
Dieser bewirkt die auch bei Hobbygärtnern mit Sauerkirschen bekannte und gefürchtete Spitzendürre nach der Blüte und später eine Fruchtfäule, wenn man nicht gegensteuert. Die Backpulver-Präparate sind nützlingsschonend, hinterlassen keine bedenklichen Rückstände und erlauben den Verzicht auf manche synthetischen Mittel, wobei die professionellen
Obsterzeuger im Sinne eines Resistenzmanagements auf wechselnde Maßnahmen gegen Ernterisiken setzen.
Hoffentlich keine Spätfröste
Ein aktuelles Risiko für die Obsterzeuger sind jetzt die Spätfröste, die in der jüngsten Vergangenheit erhebliche Schäden in den Bestän- den verursacht haben. Die beste Frostversicherung ist zwar seit jeher der Standort, weiß Markus Zeiß, und zwar der an Hanglagen, weil die Kälte von oben nach unten „abfließen“ und weniger Schaden anrichten kann. Eine finanzielle Versicherung gegen Fröste wurde in diesem Jahr erstmals für die Obstbauern wirtschaftlich tragbar, weil der Freistaat Bayern dem Baden-Württembergischen Beispiel folgte und eine Mehrgefahrenversicherung bezuschusst.
Trotzdem haben bereits im April einige Obstbauern nachts mit Frostkerzen in ihren Anlagen gegen Minusgrade angeheizt und sich für die Tage der Eisheiligen in zwei Wochen gerüstet. Erst nach der „Kalten Sophie“ am 15. Mai bleibt es den alten Bauernregeln zufolge frostfrei.
Bis zu 2,5 Grad minus können die Blüten überstehen, abhängig von den weiteren Wetterverhältnissen, wenn es noch kälter wird, nehmen sie Schaden. Doch auch wenn sich ein Teil der Blüten frostbedingt schwarz färbt, ist nicht alles verloren: Für einen Vollertrag reicht es theoretisch, wenn sich ein Fünftel oder sogar ein Zehntel der Blüten weiterentwickelt zur Frucht.
Dieser drohen dann zwar wieder andere Gefahren wie Kirschfruchtfliege, Hagel oder Regen in der Vollreife – aber am vergangenen Wochenende stimmte die herrliche Blüte erst einmal zuversichtlich für eine aussichtsreiche Erntesaison.
Heimische Produkte wertschätzen
Wenn es dann so weit ist, wünscht sich Markus Zeiß, dass auch möglichst viele Verbraucher so integriert und ganzheitlich denken wie die Obsterzeuger: Eine herrliche heimische Kirsch- und Obstblüte hat auch damit zu tun, dass man beim Einkauf das heimische Obst wertschätzt.
Autor:wochenblatt - Redaktion aus Eckental |
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